Parlamentarischer Untersuchungsausschuss
"Cum-Ex"
Fakten zum PUA Cum-Ex der Hamburgischen Bürgerschaft
Eine Koalition aus CDU und Linkspartei hat einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) „Cum-Ex“ eingesetzt – genau ein Jahr vor der letzten Bundestagswahl. Für ihre Unterstellungen und Vorwürfe haben CDU und Linke auch nach über zwei Jahren Beratung, nach Durchsicht tausender Aktenseiten und nach umfänglicher Zeugenbefragung keine Belege – im Gegenteil.
Kein finanzieller Schaden für Hamburg
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seiner Entscheidung Ende Juli 2021 endlich mehr Rechtsklarheit in das komplizierte System der Cum-Ex-Geschäfte gebracht. Die Strafbarkeit der Cum-Ex-Geschäfte der Warburg Bank ist nun höchstrichterlich festgestellt. Die Bank hat alle Cum-Ex-Gelder plus Zinsen in Millionenhöhe zurückgezahlt, sodass Hamburg kein finanzieller Schaden entstanden ist. Vielmehr hat Finanzsenator Dr. Andreas Dressel im April 2022 vor dem PUA erklärt, dass die Stadt bei den Cum-Ex-Zahlungen der Warburg Bank ein erhebliches Plus in der Staatskasse zu verzeichnen hat. Grund sind Hinterziehungszinsen in Höhe von sechs Prozent p.a., die die Warburg Bank zusätzlich zur zu Unrecht einbehaltenen Summe von 176 Millionen Euro zu entrichten hat bzw. hatte.
Keine politische Einflussnahme
Nach weit über zwei Jahren Aufklärungsarbeit und Befragung von über 50 Zeug:innen aus unterschiedlichen Abteilungen, Ämtern und Behörden ist festzustellen: Alle befragten Zeug:innen, die am Verfahren beteiligt waren, haben unabhängig voneinander sehr deutlich erklärt, dass es keine Einflussnahme durch die Politik auf Steuerentscheidungen gegeben hat. Keine einzige Zeugin und kein einziger Zeuge hat – auch auf ausdrückliche Nachfrage nicht – Versuche der Einflussnahme auf sich oder andere erlebt oder davon auch nur gehört.
Peter Tschentscher hat als damaliger Finanzsenator nicht an der Behandlung von Steuerfällen mitgewirkt. In besonders bedeutenden Einzelfällen hat er sich über den Stand des Verfahrens der Verwaltung informieren lassen, so wie es der Senat bereits vor Einsetzung des PUA dargestellt hat. Dies haben zudem mehrere Zeug:innen vor dem PUA bestätigt. Das ist auch Aufgabe eines Finanzsenators, zumal bei einem Thema, welches schon einen Bundestags-Untersuchungsausschuss beschäftigt hat – eine solche „Information zum Sachstand“ ist angemessen und verantwortungsvoll.
Olaf Scholz hat sich vor der Entscheidung der Finanzverwaltung im Jahr 2016, die Steuern zunächst nicht zurückzufordern, sondern auf die strafrechtlichen Ermittlungen zu setzen, zwei Mal mit Inhabern der Warburg-Bank getroffen und einmal mit dem Inhaber der Bank, Christian Olearius, telefoniert (ein drittes Treffen fand im Jahr 2017 statt). Vor dem PUA hat er ausgesagt, dass er sich an die Einzelheiten der Gespräche nicht erinnere, aber zu solchen Gesprächen eine klare Haltung habe: weder Zusagen zu machen noch überhaupt Einschätzungen abzugeben. Diese Haltung spiegelt sich klar in den öffentlich gewordenen Tagebucheinträgen des Warburg-Inhabers und wurde durch einen Zeugen aus der Wirtschaftsbehörde, der bei einem der Treffen mit den Bankinhabern dabei war, vor dem PUA ausdrücklich bestätigt. Laut Zeugenaussage in öffentlicher Sitzung habe Olaf Scholz den Bankinhabern klar gesagt, dass Cum-Ex-Geschäfte aus seiner Sicht „illegal“ sind.
Keine strafrechtlichen Ermittlungsverfahren
Gegen Olaf Scholz und Peter Tschentscher sind – teils als kopierte Internet-Vordrucke gefertigte – Strafanzeigen gestellt worden. Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat geprüft, ob ein sog. Anfangsverdacht vorliegt und Ermittlungsverfahren eingeleitet werden müssen. Schon der Anfangsverdacht wurde verneint, strafrechtliche Ermittlungsverfahren mussten nicht eingeleitet werden. Die Vorprüfungen haben „keine zureichenden Verdachtsmomente für Straftaten“ ergeben. Die Generalstaatsanwaltschaft hat diese Entscheidung überprüft und bestätigt.
Auch ein Anwalt aus Hamburg hat Strafanzeigen gegen Olaf Scholz und Peter Tschentscher bei den Staatsanwaltschaften in Hamburg und in Köln wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung und uneidlicher Falschaussage gestellt. Beide Staatsanwaltschaften haben im Dezember 2022 von der Einleitung von Ermittlungsverfahren abgesehen, weil nicht einmal ein Anfangsverdacht gesehen wurde. Die Einstellungsbescheide der Staatsanwaltschaft Köln vom 14.12.2022 und der Bescheid der Staatsanwaltschaft Hamburg vom 21.12.2022 sind im Internet veröffentlicht.
Kein plötzlicher Sinneswandel der Steuerverwaltung
Alle an der Entscheidung über die Frage der Steuerrückforderung beteiligten Personen wollten das Geld zurückholen. Die Rückforderung ist Ende 2016 zunächst unterblieben, weil die Beweislage für das Vorliegen von Cum-Ex-Geschäften damals für nicht ausreichend und damit das Prozessrisiko für zu hoch eingeschätzt wurde (z.B. Schadensersatzforderungen gegen die Stadt Hamburg). Diese Zeugen:innenaussagen decken sich mit den internen Vermerken, Berichten und Entscheidungsvorlagen der Finanzbehörde und des Finanzamtes, die mittlerweile auch öffentlich geworden sind. Zudem hat am 4. März 2022 der im entscheidenden Zeitraum 2016/2017 zuständige Staatsanwalt aus Köln, Alexander Fuchs, vor dem PUA ausdrücklich erklärt, dass zum Zeitpunkt seiner Ermittlungstätigkeit noch keine ausreichenden Beweismittel vorgelegen haben, um die Cum-Ex-Geschäfte der Warburg Bank zu belegen. Daher sei er mit der damaligen Entscheidung der Steuerverwaltung „absolut d’accord“ – also absolut einverstanden – gewesen.
Keine Verjährung der Steuerrückforderung
Anders als immer wieder behauptet: Die Steuerrückforderungen sind Ende 2016 nicht verjährt. Das Finanzamt hat Ende 2016 Änderungsbescheide erlassen, mit denen die fünfjährige Zahlungsverjährung neu in Gang gesetzt wurde. Diese Änderungsbescheide liegen allen Mitgliedern des PUA vor.
Der Nichteintritt der Verjährung ist im PUA ausführlich beraten und nicht in Frage gestellt worden. Auch das Landgericht Bonn hat in seiner Entscheidung vom 18.03.2020 (62 KLs 213 Js 41/19) ausdrücklich dargelegt, dass keine Verjährung der Steuerrückforderung eingetreten ist (vgl. Randziffern 2050ff.). Der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese Entscheidung mittlerweile bestätigt, sodass sie rechtkräftig geworden ist. CDU und Linke wissen das.
Kein Vergleich oder Erlass von Steuern zugunsten der Warburg-Bank
Es hat keinen Vergleich oder Erlass von Steuern zugunsten der Warburg-Bank gegeben und auch keine Gespräche darüber. Ein solches Vorgehen ist im Steuerrecht gar nicht zulässig. Der damalige Leiter der Steuerverwaltung Hamburg hat in öffentlicher Sitzung vor dem PUA und auch bereits 2020 vor dem Haushaltsausschuss der Bürgerschaft erklärt, dass es mit der Warburg-Bank Gespräche über den der Besteuerung zugrundeliegenden Sachverhalt gab – aber gerade nicht über die Höhe der Steuerschuld. Weitere Zeug:innen haben dies bestätigt. Solche sog. „tatsächlichen Verständigungen“ über den Sachverhalt sind zulässig und vorgesehen für Situationen, in denen Steuer-Sachverhalte nicht oder nur sehr langwierig gerichtsfest zu ermitteln wären. Ziel ist es, sich auf einen bestimmten Sachverhalt zu verständigen, der dann der hierfür gesetzlich vorgesehenen Besteuerung unterzogen wird. Mit einem Vergleich oder einem Erlass von Steuern hat eine solche tatsächliche Verständigung rein gar nichts zu tun.
Kein Widerspruch in den Aussagen von Olaf Scholz
Es besteht kein Widerspruch zwischen den Aussagen vor dem PUA Cum-Ex und der Aussage vor dem Finanzausschuss des Bundestages vom 01.07.2020. Olaf Scholz hat auch vor dem Bundestagsausschuss am 01.07.2020 sehr deutlich gemacht, dass er keine eigenen Erinnerungen an die Gespräche mit dem Warburg-Banker Herrn Olearius hat, sondern sich bei seinen Aussagen auf die öffentlich gewordenen Olearius-Tagebucheintragungen und auf Medienberichterstattung hierzu beruft.
Der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages ist endlich der monatelangen Forderung der SPD nachgekommen und hat im Dezember 2022 das als geheim eingestufte Protokoll der Sitzung am 01.07.2020 „entstuft“. Es ist mittlerweile im Internet und in der Presse veröffentlicht worden. Jetzt ist offensichtlich, dass die bisher veröffentlichten Sätze, die Olaf Scholz angeblich belasten, manipulativ aus dem Zusammenhang gerissen wurden. Es wurden systematisch alle Sätze gestrichen, mit denen Olaf Scholz klargestellt hat, dass seine Aussagen nicht auf seiner eigenen Erinnerung beruhen. Liest man das Protokoll vollständig, wird klar: Olaf Scholz hat auch vor dem Bundestagsausschuss gesagt, dass er keine eigene detaillierte Erinnerung an die Gespräche hat, sondern sich bei seiner Aussage ausschließlich auf die Olearius-Tagebucheinträge und Medienberichterstattung bezieht.
Außerdem hat Olaf Scholz am 9. September 2020 vor dem Bundestag Fragen der Abgeordneten zu den Treffen mit den Warburg-Bänkern beantwortet und klar gesagt, dass er an die Einzelheiten der Gespräche keine detaillierten Erinnerungen hat. Das Wortprotokoll dieser Befragung ist im Internet abrufbar:
https://dserver.bundestag.de/btp/19/19172.pdf#P.21521
Kein Verschweigen von weiteren Gesprächen mit den Bänkern
In der Sitzung des Finanzausschusses am 01.07.2020 wurde Olaf Scholz auch nach weiteren Treffen mit Herrn Olearius gefragt. Olaf Scholz hat darauf geantwortet, er sei Christian Olearius im Laufe seines Lebens mehrfach begegnet, zumeist bei größeren Veranstaltungen, beispielsweise in der Elbphilharmonie. Er habe auch bei einem Jubiläum der Warburg-Bank als Redner fungiert. Auch habe er ab und zu mit Vertretern der Warburg Bank geredet, wie im Übrigen auch mit Vertretern der Berenberg Bank oder der Haspa. Dies sei ein normaler Vorgang. Es gebe aber keine regelmäßigen Treffen.
Diese Aussage wurde bisher in der Berichterstattung verkürzt wiedergegeben. Olaf Scholz hat bereits am 01.7.2020 gesagt, dass es weitere Gespräche auch mit den Warbung-Bänkern gegeben hat. Durch diese Aussage am 01.07.2020, es habe weitere Gespräche gegeben, antwortet Olaf Scholz sogar weiter, als er hätte antworten müssen. Schließlich wurde er nach weiteren Treffen gefragt. Gespräche umfassen auch Telefonate, vielleicht sogar Gespräche bei zufälligen Begegnungen. Von einem Verschweigen kann daher nicht die Rede sein – im Gegenteil.
Erweiterung des PUA auf Cum-Ex-Geschäfte der HSH Nordbank
Nach über zwei Jahren Aufklärungsarbeit steht fest, dass es keine politische Einflussnahme auf den Steuerfall Warburg gegeben hat. Es wurden über 50 Zeug:innen vernommen. Keine einzige Zeugin und kein einziger Zeuge hat Versuche der Einflussnahme auf sich oder andere erlebt oder davon auch nur gehört. Auch aus den zahlreichen Akten ergibt sich nichts Anderes. Der PUA Cum-Ex wird zu diesem Untersuchungskomplex im Frühjahr 2023 einen Zwischenbericht vorlegen.
Die Opposition aus CDU und DIE LINKE hat nun beantragt, die Aktivitäten der HSH Nordbank im Hinblick auf illegale Finanzgeschäfte wie Cum-Ex auszuweiten. Sobald dem PUA die Akten zur HSH Nordbank vorliegen, wird mit der Beweisaufnahme zu diesem Themenkomplex begonnen.
Stand: März 2023
Für mehr Informationen: spd-fraktion-hamburg.de/themen/pua-cum-ex